Interview mit Prof. Alexander Wöll, Präsident der Europa Universität Viadrina
Professor Dr. Alexander Wöll ist seit 2014 Präsident der Europa Universität Viadrina. Im Interview erzählt er, wieso grenzübergreifende Kooperationen von Hochschulen eine Herausforderung sind, verrät Details zur gemeinsamen Fakultät seiner Hochschule mit der Adam-Mickiewicz-Universität Posen und erläutert, weshalb die Regionen der Oder-Partnerschaft selbstbewusster auftreten sollten.
(c) Heide Fest
Herr Professor Wöll, was bedeutet die Oder-Partnerschaft für Sie?
Für mich ist die Oder-Partnerschaft ein Netzwerk, das den Austausch fördert und deutsch-polnische Kooperationen entlang der Grenze ermöglicht. Zwei Beispiele: Über die Oder-Partnerschaft lernte ich meinen Vorgänger Gunter Pleuger kennen. So bin ich überhaupt Präsident der Viadrina geworden. Zum anderen steht die Oder-Partnerschaft für erfolgreiche Projekte im Verkehrswesen, im Tourismus und natürlich in der Wirtschaft. In Bezug auf Hochschulen ist die grenzübergreifende Zusammenarbeit noch ausbaufähig.
Warum?
Meines Erachtens liegt das an einer Vielzahl an Gründen: Zum einen setzen die in die Oder-Partnerschaft eingebundenen Universitäten unterschiedliche Schwerpunkte in ihrer Lehre und Forschung; das zeigt sich schon beim Vergleich der deutschen Universitäten untereinander. Des Weiteren gibt es strukturelle Unterschiede zwischen Deutschland und Polen, die sich nicht einfach wegdiskutieren lassen. Das beginnt bei der unterschiedlichen Bezahlung von Lehrkräften und reicht bis zu den unterschiedlichen Strukturen der Verwaltungen. All das erschwert Kooperationen.
Allerdings dürfen wir auch nicht vergessen, wie schwierig die Rahmenbedingungen lange Zeit waren: Im Gründungsauftrag der Viadrina steht beispielsweise als ein Ziel, dass die Hälfte aller Lehrkräfte aus Polen stammen sollte. Davon sind wir derzeit noch ein gutes Stück entfernt. Polen ist erst seit 2004 EU-Mitglied und von der Arbeitnehmerfreizügigkeit profitieren wir auch erst seit fünf Jahren.
(c) Heide Fest
Mit der Adam-Mickiewicz-Universität Posen arbeiten Sie gerade intensiv an einer gemeinsamen Fakultät. Was können Sie uns über den aktuellen Stand verraten?
Aktuell erstellen wir das Konzept für diese gemeinsame internationale Fakultät mit der Adam-Mickiewicz-Universität am Collegium Polonicum, unserer gemeinsamen deutsch-polnischen Forschungs- und Wissenschaftseinrichtung im benachbarten Słubice. Die Voraussetzungen hierfür sind sowohl auf der persönlichen als auch auf der fachlichen Ebene gut. Unsere Zusammenarbeit hat sich über viele Jahre im Collegium Polonicum bewährt; über die nötige Fachkompetenz verfügen wir dank unseres Viadrina Centers B/ORDERS IN MOTION (Anmerkung der Redaktion: Der Schwerpunkt dieser Forschungseinrichtung liegt auf der interdisziplinären Analyse zu Prozessen der Markierung, Überschreitung, Auflösung und Neuetablierung von Grenzen). Ich bin optimistisch, dass es uns gelingt, denn wir haben bereits den ein oder anderen Meilenstein erreicht. Zuletzt hat uns etwa Jarosław Gowin, Minister für Wissenschaft und höhere Bildung der Republik Polen, seine Unterstützung versichert.
Übrigens: Auf dem internationalen Parkett werden wir wegen unserer engen Zusammenarbeit längst als deutsch-polnische Universität wahrgenommen. Gemeinsame Ziele helfen uns dabei – ein Beispiel ist unser Ansatz, das Weimarer Dreieck im Hochschulbereich zu stärken. Hier konnten wir jüngst einen großen Erfolg verbuchen: Die nächste Jahresversammlung der deutsch-französischen Hochschule findet in 2017 an der Europa-Universität statt, ebenso wie der Vierte Kongress Deutsche Polenforschung.
(c) Heide Fest
Ihre Viadrina pflegt Kooperationen mit Universitäten auf der ganzen Welt. Abgesehen von der geographischen Nähe: Was macht den Austausch bzw. die Zusammenarbeit mit Polen in Ihren Augen einmalig?
Drei Faktoren machen Polen einmalig. Zum einen ist das Land eine Blaupause für viele osteuropäische Länder – das gilt in allen Bereichen, zum Beispiel wenn wir der Frage nachgehen, wie das gesellschaftliche und politische System sich entwickelt. So lassen sich die Prozesse im Kleinen analysieren und die Erkenntnisse paradigmatisch auf das Große, also den osteuropäischen Raum, ausdehnen. Zum anderen sind es die deutsch-polnischen Beziehungen selbst, die wir untersuchen und aus denen wir wertvolle Schlüsse ziehen können: Denn Polen ist das Musterland Osteuropas, Deutschland das Musterland Westeuropas. Deshalb lassen sich aus unserem Verhältnis und unserem Umgang zu- beziehungsweise miteinander gute Erkenntnisse für die künftige Entwicklung des Miteinanders in Europa ziehen. Und drittens: Ich habe oft den Eindruck, dass Menschen die Länder und Woiwodschaften der Oder-Partnerschaft als Randregion Europas wahrnehmen. In meinen Augen ist das falsch. Denn tatsächlich liegt unsere Makroregion mitten im Herzen Europas. Das müssen wir uns vergegenwärtigen. Wir sollten unsere zentrale Lage als echte Chance begreifen – für unsere Region und für unsere Rolle bei der Gestaltung Europas.