Polens Kommunen und Wojewodschaften haben gewählt / Aktueller Stand
Mit 55 % im ersten und 49 % im zweiten Wahlgang zeigten die Kommunal- und Wojewodschaftswahlen in Polen die höchste Wahlbeteiligung seit 1989. Die beiden größten Parteien, die nationalkonservative Recht und Gerechtigkeit (PIS) und die liberalkonservative Bürger-Koalition (KO) aus Bürgerplattform PO und Moderne/Nowoczesna, stellten zu diesen Kommunalwahlen die meisten Kandidaten. Beide konnten dann auch in den Wojewodschafts-Sejmiks ihre Sitzanteile vergrößern. Weitere Gruppierungen waren die Parteilosen Selbstverwalter BS, die Bauernpartei PSL und die Linke, bestehend aus SLD-Linke und der Partei Gemeinsam (Razem). Hinzu kamen in vielen Wahlbezirken Kandidaten lokaler Wahlkomitees.
In den 16 polnischen Wojewodschafts-Sejmiks waren zusammen 552 Mandate zu besetzen. Die meisten errang die PIS (254), gefolgt von der Bürgerkoalition (194), der PSL (70), den Parteilosen (15) und der SLD/Linke/Razem (11). Damit verfügt die PIS nun in sechs Sejmiks in Ost- und Zentralpolen, die Bürgerkoalition nur in der Wojewodschaft Pommern über eine absolute Mehrheit. Die direkten Wahlen der Bürgermeister und Stadtpräsidenten gewann in vier Städten der Kandidat der PIS, die entschiedene Mehrheit gewannen Kandidaten lokaler Komitees und der Bürgerkoalition. In der Hauptstadt Warschau stellt die PO mit Rafał Trzaskowski den Stadtpräsidenten. In der Wojewodschaft Masowien, zu der die Hauptstadt gehört, ist Adam Struzik (PSL) bereits zum sechsten Mal Marschall geworden.
In den vier westlichen Wojewodschaften, die die Oder-Partnerschaft mittragen, errangen sowohl die KO als auch die PIS mehr Mandate als noch vor vier Jahren. In keinem der Sejmiks aber kann eine Partei alleine regieren. PSL und Linke, die Mandate verloren, und besonders die BS, die Mandate errang, spielen also eine große Rolle in den Gesprächen über zukünftige Koalitionen.
Die 39 Sitze des Sejmik der Wojewodschaft Großpolen verteilen sich auf 15 für die KO (+ 2 Sitze im Vergleich zur Wahl 2014), 13 für die PIS (+ 5), 7 für die PSL (- 5), 3 für die Linke (- 1) und einen Sitz für die Parteilosen BS. Daraus ist eine Koalition aus KO und PSL zustandegekommen. Dies ist eine Fortsetzung der bisherigen Koalition PO-PSL, erweitert um die Partei Moderne. Marschall der Wojewodschaft ist, wie zuvor, Marek Woźniak (PO).
Im Sejmik Westpommerns galt es 30 Sitze zu besetzen, 13 errang die KO (+ 1 Sitz verglichen mit dem alten Sejmik), 11 die PIS (+ 5), drei die zuvor nicht vertretenen Parteilosen BS, denen sich Stettins Stadtpräsident Piotr Krzystek verbunden fühlt, zwei Sitze errang die PSL (- 2) und ein Sitz geht an SLD/Linke/Razem (- 2). Weiter regieren möchten PO (mit der Partei Moderne) und PSL, sie müssen aber für eine Mehrheit Gespräche mit den Parteilosen und der Linken führen. Weiter regieren wird die PO, gemeinsam mit der Partei Moderne sowie der PSL und SLD. Marschall der Wojewodschaft ist wieder Olgierd Geblewicz (PO).
Von den 30 Sitzen des Sejmiks der Wojewodschaft Lubuski errang die KO 11 (+ 1) und die PIS 9 (+ 4) Mandate. Je vier gehen an die Parteilosen und die PSL (- 4). Die Linke errang zwei Mandate, verlor damit drei. Vor den Wahlen regierte eine Koalition aus PO-PSL-SLD. Den Erwartungen entsprechend bildet hier die Bürgerkoalition (PO und Moderne), PSL und SLD die Koalition. Marschall ist erneut Elżbieta Anna Polak (PO).
Der Sejmik Niederschlesiens hat 36 Sitze. Hier ist die PIS erstmals größte Fraktion mit 14 Sitzen (+ 6). Die Bürgerkoalition errang 13 Sitze (+ 7 im Vergleich zur PO im vorherigen Sejmik). Die Parteilosen errangen sechs Sitze, sechs weniger als zuvor. Zwei Mandate errang das Wahlkomitee des scheidenden Stadtpräsidenten Breslaus, Rafal Dutkiewicz, und die PSL errang einen Sitz (- 3). Die Linke errang keinen Platz im Sejmik. Auf eine Koalition geeinigt haben sich die PIS und die Parteilosen. Marschall der Wojewodschaft ist Cezary Przybylski (parteilos).
Schauen wir noch auf die direkten Oberbürgermeisterwahlen in den Hauptstädten: In Posen und Breslau gewannen die Kandidaten der Bürgerkoalition das Stadtpräsidentenamt, Jacek Jaśkowiak (Posen zum zweiten Mal) und Jacek Sutryk (Breslau). In Stettin wurde Piotr Krzystek, der mit einem eigenen Wahlkomitee angetreten war, zum dritten Male Stadtpräsident. Parteilose Kandidaten errangen in Landsberg (Jacek Wójcicki) und Zielona Góra (Janusz Krzysztof Kubicki) das höchste Stadtamt.
Eine Besonderheit der diesjährigen Kommunal- und Wojewodschaftswahlen sei noch angemerkt: Sie galten den politischen Parteien in großem Maße als Testwahlen für die im kommenden Jahr anstehenden Wahlen zum Europaparlament und zum polnischen Sejm. Die bevorstehenden Wahlkämpfe könnten also die Arbeit der zukünftigen Kommunalregierungen beeinflussen. Die Haltbarkeit politischer Kooperationen in den verschiedenen Sejmiks hängt also direkt ab von der Haltbarkeit der Bürgerkoalition, also von der Verbindung zwischen Bürgerplattform PO und Partei Moderne/Nowoczesna.
Bogdan Twardochleb
Aus dem Polnischen von Mathias Enger