Interview mit Prof. Jerzy Langer, Präsident des Breslauer Forschungszentrums EIT+
Ziel der intelligenten Spezialisierung ist die bestmögliche Nutzung des Potenzials unterschiedlicher Regionen, indem Wissenschaft und Bildung auf die spezifischen sozioökonomischen Bedingungen einer Region abgestimmt werden. Die regionale Entwicklungsstrategie für Niederschlesien wurde vor einigen Jahren im Breslauer Forschungszentrum EIT+ ausgearbeitet. Der Dialog zwischen Wissenschaftlern, der Selbstverwaltung und regionalen Unternehmen sowie die Entscheidungsfindung unter der inspirierenden Leitung des Breslauer Stadtpräsidenten Dutkiewicz hat dazu geführt, das wir momentan einen neuen Campus bauen – Polens größte lokale Forschungseinrichtung, hauptsächlich durch EU-Mittel finanziert.
Dies geschah, bevor das „Codewort“ S3 („smart specialisation strategy“) in die Sprache der EU-Strategen Einzug gehalten hat. Dabei entsteht ein Netzwerk von 60 spezialisierten Laboren in den Bereichen Biotechnologie, „Advanced Materials“ sowie Klima und Energie. Diese Forschungsinfrastruktur ist ein entscheidender Beitrag zur Strategie der intelligenten Spezialisierung in Niederschlesien.
Die Idee der intelligenten Spezialisierung erfordert eine enge Zusammenarbeit von innoativen Unternehmen, F&E Einrichtungen und Hochschulen. Welchen Beitrag leistet das EIT+ dabei?
Eigentümer des EIT+ sind neben der Stadt Breslau die bedeutendsten Breslauer Hochschulen. Wir möchten die Verfügbarkeit der besten Labors sicherstellen, aber nur, wenn die Wirtschaft dafür Bedarf hat. Unsere Arbeit soll wirtschaftlichen Grundsätzen folgen, d.h. zertifizierte Qualität sowie Zeit- und Kosteneffizienz. EIT+ ist also sowohl ein Forschungszentrum als auch ein Unternehmen. Damit übernimmt es eine Brückenfunktion – etwas, das in den neuen EU-Mitgliedsstaaten oft schmerzlich vermisst wird. Ein Beispiel dafür ist das Projekt „Accellerator EIT+”. Dabei wurden innerhalb von zwei Jahren unter Einbeziehung des EIT+ 13 Technologie-Unternehmen gegründet, von denen einige schon mit Gewinn verkauft sind – der beste Beweis für das riesige kommerzielle Potenzial der Forschung in Polen.
Welchen Stellenwert hat für EIT+ die Zusammenarbeit mit Partnern aus anderen Regionen der EU, insbesondere mit deutschen Unternehmen und F&E-Einrichtungen im Zusammenhang der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit?
Sie ist eine elementare Voraussetzung für die weitere Entwicklung des EIT+. In einer globalisierten Welt muss der erste Schritt sein, regional über Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Wir entwickeln derzeit eine Reihe von Projekten mit deutschen Partnern aus Forschung und Wirtschaft. Ein symbolisches Beispiel für diese Art von Zusammenarbeit ist, dass Professor Hommel von der Universität Bremen, einer der besten Halbleiterforscher – nun als Forschungsleiter am WRC EIT+ tätig ist. Er koordiniert auch das 30-Millionen-Euro-Forschungsprogramm von NANO EIT+.
Die regionale Innovationsstrategie für Niederschlesien nennt Medizin, Biologie, Chemie, IKT und Mathematik/ Physik als vier Stärken von Niederschlesien, auf die die Region sich künftig spezialisieren will. Inwiefern können andere Regionen der Oder-Partnerschaft von diesem einzugartige Know-how Niederschlesiens profitieren? Sehen Sie mögliche Synergien mit der deutschen Grenzregion und Berlin?
Selbstverständlich – das ist für uns ganz natürlich, gemäß der Philosophie der Offenheit, die wir in Breslau und Niederschlesien pflegen. Man soll sich aufeinander beziehen, voneinander lernen und ,Best Practices’ übernehmen. Programme wir Horizon 2020 und die europäische Kohäsionspolitik bieten Chancen für die Umsetzung gemeinsamer Projekte. Eine Beteiligung am Europäischen Technologieinstitut (EIT, www.eit.europa.eu) bietet sehr interessante Möglichkeiten für gemeinsame Forschung: Das EIT+ ist im Rahmen der Wissens- und Innovationsgemeinschaften (KIC) des EIT ein regionales Zentrum für innovative Klimaforschung. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit deutschen Partnern, nicht nur mit Niederschlesiens Nachbarregionen. Vielleicht das Wichtigste: Das EIT+ bietet Entwicklungsmöglichkeiten für junge Talente. Die Einrichtung ist grundsätzlich sehr offen und pro-europäisch.